Durch den Vorstoß parteipolitischer Initiativen und zivilgesellschaftlicher Organisationen wie AHA Lëtzebuerg konnte Kultusminister François Biltgen von der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) endlich dazu gezwungen werden, sich mit der Frage nach den Verhältnissen zwischen Staat und Religion zu befassen.
Im Folgenden nimmt AHA Stellung zu einigen Aspekten der aktuellen Debatte:
a) „Groupe de réflexion“
Das zwischenzeitliche Resultat der aktuellen Diskussion, die mit der parlamentarischen Orientierungsdebatte vom 7. Juni 2011 eingeleitet wurde, ist die Schaffung einer so genannten „groupe de réflexion“, die über die zukünftigen Verhältnisse zwischen Staat und weltanschaulichen Organisationen beraten soll und deren Zusammensetzung wie Missionsbeschreibung am vergangenen Mittwoch in der parlamentarischen Justizkommission vorgestellt wurden.
Laut ihrer provisorischen Mission soll die „groupe de réflexion“ aus belgischen und französischen Experten zusammengesetzt sein, die einen vom Kultusminister vorgegebenen rigiden Fragenkomplex abarbeiten sollen, statt sich eigenständig Gedanken zu machen.
AHA steht der Zusammensetzung der „groupe de réflexion“ mehr als skeptisch gegenüber: erstens engt die Tatsache, dass nur belgische und französische Experten eingeladen werden, die Sichtweise der Arbeitsgruppe ein. Die zusätzliche Verpflichtung von deutschen, britischen und anderen Experten hätte wahrscheinlich zu einer weitaus offeneren Expertengruppe geführt. Zweitens bedauert AHA die Verlagerung der Debatte in einen geschlossenen Zirkel ausländischer Experten. AHA ist der Überzeugung, dass die Frage nach den Verhältnissen zwischen Staat und weltanschaulichen Organisationen nicht exklusiv in die Hände ausländischer Experten gehört, sondern vor allem im Rahmen einer öffentlichen, partizipativ ausgelegten Grundsatzdebatte behandelt werden müsste, in die neben den politischen Parteien auch die betroffenen Akteure vor Ort, darunter auch nicht-religiöse und laizistische Organisationen mit einbezogen werden.
AHA lehnt den Fragenkomplex, mit dem sich die Experten befassen sollen, strikt ab. Die Fragestellung ist nämlich äußerst suggestiv und drängt die Experten einseitig zu Antworten in Richtung des belgischen Modells. Anstelle davon müssten sich die Experten mit der zentralen Frage befassen, wie weltanschauliche Gerechtigkeit in Luxemburg erreicht werden kann.
b) Das belgische Modell und die geplanten „Maisons de la Laïcité“
Die „Maisons de la Laïcité“, die im Regierungsabkommen festgehalten wurden, sind ein Bestandteil des belgischen Modells, das Kultusminister Biltgen offenkundig anstrebt. Grob betrachtet würde dieses Modell dahin führen, dass die Privilegien der katholischen Kirche nicht abgebaut werden, wie es eine Trennung von Kirche und Staat jedoch erfordert. Stattdessen werden auch andere religiöse und nicht-religiöse Anschauungen finanziert: demnach weltanschauliche Gleichheit durch Aufrüstung anstelle von Abrüstung. Im Rahmen dieses Modells sollen durch die öffentliche Finanzierung von so genannten "Maisons de la Laïcité" religiöse Privilegien gerechtfertigt und beibehalten werden. Staatlich finanzierte „Maisons de la Laïcité“ sind demnach nichts anderes als ein gefährliches trojanisches Pferd von CSV und Bistum. Insgesamt führt das belgische Modell zwar einerseits dazu, dass nicht mehr einseitig die katholische Kirche privilegiert wird, was man im direkten Vergleich zur aktuellen Lage als relativen Fortschritt deuten könnte, anderseits lässt es aber die entscheidende Frage offen, nämlich wer gemäß welcher Kriterien entscheidet, welche Religion oder weltanschauliche Organisation welche finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt bekommt.
AHA fordert als Idealmodell die klare finanzielle Trennung von Kirche und Staat, d.h. den Abbau von religiösen Privilegien anstelle des Aufbaus „laizistischer Privilegien“. AHA bleibt in der Debatte trotzdem dialog- und kooperationsbereit in Bezug auf die Ausarbeitung von Modellen, die eine Verteilung von finanziellen Mitteln vorsehen, die sich proportional zu den tatsächlichen weltanschaulichen Überzeugungen in der luxemburgischen Bevölkerung verhält – die erst einmal zu ermitteln wären – und damit der Selbstbestimmung des Einzelnen gerecht wird. AHA ist weiterhin der Überzeugung, dass kein Bürger gezwungen werden darf, Organisationen finanziell durch Steuergelder zu unterstützen, in denen es für Frauen in bestimmten Laufbahnen ein ideologisch motiviertes Berufsverbot gibt oder deren oberster Führer homosexuelle Menschen öffentlich als Gefahr für die Menschheit diskriminiert.
c) Die neue Strategie der katholischen Kirche
Mit der Ernennung ihres neuen Bischofs Hollerich hat die katholische Kirche in Luxemburg auch ihre Kommunikationsstrategie angepasst, die nun vor allem darin besteht, sich ein neues, weltoffenes und reformfreudiges Image zu verpassen. Besonderen Wert wird dabei scheinbar auf Dialogbereitschaft gelegt. Dieser Dialog – AHA konnte diese Erfahrung bereits machen – reduziert sich bisweilen aber nur auf Lippenbekenntnisse und wie wichtig es sei, miteinander zu reden. Solange die Kirche aber nur über das Reden reden will, sich aber im Schweigen übt, sobald es um konkrete Inhalte geht (z.B. Finanzierungsmodell, transparente Finanzen, usw.), ist dieser Dialog nicht viel wert und auch nicht fortzusetzen.
Download: