Pressekonferenz der katholischen Kirche vom 28. Februar 2019 „Gemeldete Fälle sexueller Gewalt sowie Maßnahmen der Kirche und Prävention seit 2010“

Ein Kommentar und Präventionsvorschläge von AHA

Am vergangenen Donnerstag hielt bekanntlich das Bistum Luxemburg eine Pressekonferenz zum Missbrauchsskandal ab. Hierzu folgende Anmerkungen von AHA Lëtzebuerg:

  • Lobenswert ist sicherlich – und dies sollte auch in kirchen- und religionskritischen Kreisen anerkannt werden –, dass der Katholikenchef Jean-Claude Hollerich sich öffentlich in aller Form für die Verfehlungen innerhalb seines Clubs bei dessen Opfern entschuldigte. Das war es aber auch schon an Positivem.
  • Von der erwähnten Entschuldigung mal abgesehen, wirkte nämlich der gesamte Rest der Pressekonferenz wie eine Vorstellung von schlecht eingeübter Realsatire. Zu genug Ehrlichkeit und offener Herangehensweise, um das Problem bei der Wurzel zu packen und nicht nur über Symptome zu reden, reichte es bei der Bistumspressekonferenz nicht. Das Hauptproblem im Kontext der sexuellen Missbrauchsfälle, der Zölibat, wurde nämlich mit keinem einzigen Wort erwähnt. Richard Sipe, weltweit anerkannter Experte und selbst jahrelang Priester, veröffentlichte etliche Studien und Bücher zum Thema Missbrauch. Im Interview mit AHA am 18. Januar 2011 (www.aha.lu/sipe) hatte Sipe eindeutig das Zölibat angeprangert: „Es steht außer Zweifel, dass befohlener Zölibat ein wichtiges Element im Phänomen katholisch-klerikalen Missbrauchs an Minderjährigen ist. Es formt eine Synergie innerhalb einer homosozialen Kultur, die psychosexuelle Unreife und Rückentwicklung unterstützt und belohnt.“ Weiter: „Die klerikale Kultur ist ein Hafen für unterentwickelte und psychosexuell fehl entwickelte Männer.“
  • Schlimmer noch: es wurde bei der Bistumspressekonferenz so getan, also ob Missbrauch gleichmäßig in allen Bereichen der Kirche (Klerus, Laien, pastorale Mitarbeiter, etc.) verbreitet sei. Laut Richard Sipe schlichtweg falsch: „Es kann mit vernünftiger Sicherheit festgestellt werden, dass unter katholischen Priestern ein höherer Anteil Minderjährige missbraucht als unter Gruppen von Männern mit vergleichbarem Alter, Bildung und Beruf (Einkommen).“ Dies ist umso dramatischer, weil ja gerade die sogenannten Geistlichen bei vielen religiösen Menschen ein geradezu blindes (und wie man sieht, ungerechtfertigtes) Vertrauen genießen und sich selbst die „göttliche Barmherzigkeit“ auf die Stirn schreiben.
  • Immer noch werden den Opfern einmalig lächerliche 5.000 EUR ausgezahlt. „5.000 EUR für ein zerstörtes Leben?“, fragte AHA bereites 2012 in einer Pressemitteilung. In Irland, einer weiteren ehemaligen katholischen Hochburg, wurden immerhin 60.000 EUR bezahlt. Aber wir vergaßen: das Bistum Luxemburg ist ja unermesslich arm…
  • Dass angehende Priester in Zukunft 10 Besuche bei Psychiatern und Psychologen tätigen müssen, um auf eventuelle pädophile Tendenzen geprüft zu werden, scheint im Rahmen einer Prävention von weiteren Fällen sinnvoll. Was aber passiert, wenn die Gutachten dieser Experten schlecht ausfallen? Wird den betroffenen Personen dann der Zugang zum Priesteramt verwehrt? Auch darüber wurde vor der Presse Stillschweigen gewahrt.
  • Besonders skurril und konfus wirkten dann die Ausführungen über das sogenannte Kirchenrecht. Hier wurde ein Vergleich mit internen Vergehen (wie Doping) in Sportvereinen oder Ausschlussverfahren in politischen Parteien gemacht. Dass sich das Bistum jetzt mit Sportvereinen vergleicht, lässt tief blicken. Des Weiteren wurde allen Ernstes belobigend hervorgehoben, dass schon im Jahr 2001 der Vatikan sexuellen Missbrauch unter die schwereren Delikte einzustufen begann, „als in den USA die erste große Welle bekannt wurde“. Dass 2000 Jahre eine lange Zeit sind, um zu einer solchen Erkenntnis zu kommen, ist eine Sache; zu behaupten, dass die Missbrauchsfälle davor nicht bekannt gewesen wären, zumindest innerhalb der Kirche, ist schlichtweg eine Frechheit. Nur wurden sie natürlich systematisch vertuscht. Die Reaktion des Vatikans kam also nur durch den öffentlichen Druck zustande.
  • In Bezug auf Kindsmissbrauch soll und darf in keiner Weise ein Generalverdacht gegenüber allen katholischen Geistlichen erhoben werden! Da aber laut Richard Sipe zwischen 6% und 11,5% der Geistlichen sexuellen Kontakt zu Minderjährigen suchen/haben, scheint Prävention dennoch ein sehr wichtiger Aspekt zu sein. In diesem Sinne sollen daher folgende 10 Vorschläge von AHA an alle Eltern verstanden werden, um ihre Kinder zu schützen:
    1. Halten Sie Ihre Kinder generell fern von sogenannten Geistlichen.
    2. Vor allem wenn Sie Kirchliches nur aus kulturellen Überlegungen oder sozialem Druck heraus praktizieren, und nicht aus religiöser Überzeugung: nach dem Motto „Net reliéis? Stéi dozou!“, seien Sie mutig und treten Sie aus der Kirche aus (www.fraiheet.lu). So kommen Sie erst gar nicht in Versuchung, Ihre Kinder in die Obhut von Geistlichen zu geben.
    3. Lassen Sie Ihre Kinder nicht taufen, sondern diese im Erwachsenenalter selbst entscheiden, ob sie Teil der Kirche sein wollen oder nicht. Auf diese Weise haben sie als Kinder keinen Kontakt zu Geistlichen.
    4. Sollte Ihr Kind schon getauft sein, halten Sie es vom Kommunionsunterricht fern und lassen Sie es im Erwachsenenalter selbst entscheiden, ob es die Kommunion machen will oder nicht.
    5. Schicken Sie Ihre Kinder nicht zu den Messdienern.
    6. Schicken Sie Ihre Kinder nicht in die Katechese.
    7. Schicken Sie Ihre Kinder nicht zu katholischen Pfadfindern (wie die „Europascouten“) oder anderen Jugendclubs, wo Geistliche zirkulieren.
    8. Denken Sie nicht: „Meinem Kind kann das nicht passieren.“.
    9. Wenn Sie der Meinung sind, AHA würde mit diesem Text übertreiben, dann lesen Sie unser Interview mit dem Experten und Ex-Geistlichen Richard Sipe (www.aha.lu/sipe).
    10. Nach dem Motto „Selwer denken ass och ee Choix!“, überlegen Sie gut: 6%-11,5% sind kein geringes Risiko!

In diesem Zusammenhang finden Sie das gesamte Interview von Richard Sipe aus dem Jahre 2011 hier.

 

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2019-03-03_Kommentar_PrKonf_Bistum_Missbrauch