Reaktion von AHA Lëtzebuerg auf den Expertenbericht betreffend die staatlichen Beziehungen mit Religionen und nicht religiösen Organisationen

 

4 Thesen zur Trennung von Kirche und Staat:

  • „Biltgen’s suggestive Missionsbeschreibung fast überwunden…“ – Der Expertenbericht bietet erstmals guten Überblick, geht aber in seinen Analysen nicht weit genug.
  • „Es gibt keine religiösen Kinder, es gibt nur Kinder religiöser Eltern!“ – Schluss mit religiöser Segregation in der Schule! Eine neutrale Wertevermittlung für alle Schüler!
  • „Religion ist Privatsache, und eine zweifelhafte dazu…“ – Für die strikte finanzielle Trennung zwischen Staat und Religion! Laizismus in der Verfassung verankern!
  • „Pimp my Church!“ – Gemeindeeigene Kirchengebäude umfunktionalisieren!

 

Einleitung

1) Ein überfälliger Überblick: trotz der äußerst suggestiven Missionsbeschreibung seitens des Kultusministers, in der keine grundsätzlichen Fragen gestellt wurden, ist es den Experten gelungen, erstmals einen Überblick über die gesamte Thematik zusammenzustellen, der zudem zeigt, wie dringend notwendig eine Reform ist. Bisher musste dem Kultusminister jedes noch so kleinste Detail aus der Nase gezogen werden.

2) Ungünstig ist leider die Zusammensetzung der Expertengruppe gewesen. Zwar hat sie einen politisch ausgewogenen Eindruck vermittelt, eine wirklich internationale Besetzung haben wir aber vermisst. Zusätzlich zu französischen und belgischen Experten hätten wir auch gerne Fachleute aus Deutschland oder Großbritannien in der Gruppe gesehen, was in Bezug auf die Modelle zu einem ausgeglicheneren Bericht geführt hätte.

3) Auch bemängelt AHA Lëtzebuerg, dass im zweiten Teil des Berichtes zwar auf einige Modelle im Ausland eingegangen wird, die Ausführungen darüber hinaus aber nicht sehr nützlich sind, da keine systematische Analyse theoretischer Modelle samt Vor- und Nachteile durchgeführt wurde. Es wäre sehr hilfreich gewesen, auf der Grundlage einer direkten Gegenüberstellung verschiedener Modelle (heutiges Konventionsmodell, Kirchensteuermodell, strikte Trennung, usw.) zu diskutieren.

 

Werteunterricht

4) Auch sehr stiefmütterlich behandelt wurde die Frage nach dem Werteunterricht in der Schule. Nachdem die Experten mit Blick auf die Finanzierungsmodell sehr detaillierte Darlegungen der Situationen im Ausland angestellt haben stellt sich die Frage, wieso sie das nicht auch hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Schule und Religion gemacht haben. Die rezente Debatte in Deutschland zum Beispiel hätte in dieser Frage viel zum Thema beitragen können.

5) AHA Lëtzebuerg spricht sich kategorisch für die Einführung eines weltanschaulich neutralen Werteunterrichts für alle Schüler aus. Dafür gibt es viele gute Gründe, allem voran muss aber deutlich klargestellt werden, dass es keine religiösen Kinder gibt, es gibt nur Kinder religiöser Eltern. Kinder verfügen über eine blühende Fantasie und diese sollten wir nicht gefährden, indem wir sie aufgrund der Religionszugehörigkeit ihrer Eltern in die eine oder andere Schublade stecken. Dies führt zu einer gefährlichen Segregation in der Schule und ist in etwa so sinnvoll, wie die Schüler beim Deutschunterricht in einen bayrischen und einen hessischen Kurs aufzuteilen, in anderen Worten: es ist blanker Unsinn, der auf ungerechtfertigten Privilegien der katholischen Kirche fußt.

6) De facto könnte ein neutraler Werteunterricht sehr schnell umgesetzt werden:

  1. In Form des Ethikunterrichts existiert er heute schon im Sekundarunterricht als Alternative zum Religionsunterricht, so dass er demnach nur auf alle Schüler ausgedehnt werden müsste.
  2. Seine Einführung bedarf im Gegensatz zu anderen Fragen keiner Verfassungsänderung.
  3. Es besteht momentan ein optimales Zeitfenster, da sich sowohl der Schulbereich als auch die Verhältnisse zwischen Staat und Religion in Reformphasen befinden und die Frage nach dem Werteunterricht beide betrifft.

 

Finanzen

7) Religion ist Privatsache. Wir wollen niemandem den Glauben an Gottheiten oder andere Fantasiegeschöpfe verbieten und bekennen uns klar und deutlich zur Gedanken- und Meinungsfreiheit. Trotzdem betrachten wir Religion als ein äußerst problematisches gesellschaftliches Phänomen, das es zu überwinden gilt. Dazu beitragen wollen wir nicht mit Verbot und Repression, sondern mit guten Argumenten.

8) Religion ist eine sehr streitbare Angelegenheit, und aus diesem Grund darf niemand gezwungen werden, finanziell oder auf andere Weise dazu beizutragen. Religion schadet vielen Menschen: weltweit wurde und wird in ihrem Namen unterdrückt und verfolgt. In Luxemburg ist ihr Einfluss heutzutage glücklicherweise eingeschränkt, trotzdem versucht sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. Zwei konkrete Beispiele: Kann es sein, dass homosexuelle Mitbürger eine Organisation wie die katholische Kirche mitfinanzieren müssen, die nicht nur gegen ihre Gleichbehandlung zum Beispiel in Sachen Heirat mobilisiert, sondern auch gegen ihre vermeintlich „schöpfungswidrige“ Lebensweise hetzt? Kann es sein, dass eine Regierung, die sich anscheinend für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt gleichzeitig Religionen finanziell massiv privilegiert und fördert, die Frauenrechte systematisch mit Füßen treten? Wir denken nicht, dass das sein kann.

9) Die aktuellen Verhältnisse zwischen Staat und Religion zwingen jeden Steuerzahler, zur Finanzierung der Religionen beizutragen, und dies unabhängig davon, ob er selber religiös ist, mit den politischen Positionen der Religionen einverstanden ist, oder sogar von ihnen diskriminiert wird. Aus diesem Grund fordert AHA Lëtzebuerg eine strikte finanzielle Trennung von Kirche und Staat. Die aktuellen Konventionen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften müssen gekündigt werden. Die Verfassungsartikel, welche die finanziellen Verhältnisse zwischen Staat und Kirche(n) regeln, müssen im Rahmen der kommenden Verfassungsreform abgeschafft werden (Art. 22, 106, 119). Zusätzlich muss ein Artikel eingeführt werden, in dem Luxemburg klar und deutlich als laizistischer Staat definiert wird.

10) Auf kommunaler Ebene soll ein Großteil der gemeindeeigenen Kirchengebäude, die nicht mehr ausgelastet sind, umfunktionalisiert werden. Zukünftig können vor allem jene, die unter Denkmalschutz stehen, als Konzert- oder Theaterhallen, Kulturzentren und Bibliotheken dienen. Weitere Kirchengebäude können, wie es im Ausland gängige Praxis ist, zu Hotels, Restaurants, Markthallen, Sozialwohnungen oder Sporteinrichtungen umgebaut werden. Die restlichen Kirchen – d.h. so viele wie mit Gläubigen gefüllt werden können – sollen an die Glaubensgemeinschaften verkauft oder vermietet werden. Diese müssen dann aber auch für den Unterhalt aufkommen. Die Kirchenfabriken lassen die Gemeinden ihr Defizit bezahlen, obwohl sie in den Unterorganisationen der katholischen Kirche Reichtümer angehäuft haben.

 

Schlussfolgerungen

11) Die Experten haben sich auch mit der Frage befasst, wie die Verhältnisse zwischen dem Staat und nicht religiösen Weltanschauungen zu gestalten wären. Als Allianz von Humanisten, Atheisten und Agnostikern fühlen wir uns in dieser Frage natürlich angesprochen und vertreten die folgende Haltung:

  1. AHA setzt sich ein für die strikte Trennung von Kirche und Staat, wodurch die Finanzierung von sowohl religiösen als auch nicht religiösen Vereinigungen zur reinen Privatangelegenheit wird.
  2. Im Rahmen des aktuellen Modells (Konventionen mit den Religionsgemeinschaften) lehnt AHA Lëtzebuerg eine Konvention mit einer nicht religiösen Vereinigung strikt ab, weil dadurch die religiöse Finanzierung weiter zementiert werden würde.
  3. Falls es in den kommenden Diskussionen zu einem alternativen Kompromissmodell kommen sollte, will sich AHA Lëtzebuerg keiner Diskussion verschließen, dies aber unter der strikten Bedingung, dass ein entsprechendes Finanzierungsmodell einer Reihe von Kriterien entspricht.

 

Download:

2012-11-23_Reaktion_Expertenbericht.pdf